Elfenhügel
Original-Übersetzung
Da schlüpften so flink einige Eidechsen in den Spalten eines alten Baumes umher; sie konnten einander gut verstehen, denn sie sprachen die Eidechsensprache.
„Nein, wie es poltert und brummt in dem alten Elfenhügel“ sagte die eine Eidechse, „ich habe von dem Spektakel nun schon zwei Nächte lang kein Auge zugetan, ebenso gut könnte ich liegen und Zahnschmerzen haben, denn dann schlafe ich auch nicht.“
„Da muss irgendetwas los sein drinnen!“ sagte die andere Eidechse, „den Hügel lassen sie auf vier roten Pfählen bis zum ersten Hahnenschrei stehen, es wird gründlich ausgelüftet, und die Elfenmädchen haben neue Tänze eingeübt. Da muss irgend etwas los sein.“
„Ja, ich habe mit einem Regenwurm aus meinem Bekanntenkreise gesprochen,“ sagte die dritte Eidechse, „der Regenwurm kam gerade aus dem Hügel heraus, wo er Tag und Nacht in der Erde gewühlt hatte. Der hatte allerlei gehört, sehen kann es ja nicht, das arme Tier, aber vorfühlen und nachhören, das versteht er. „Sie erwarten Besuch im Elfenhügel, vornehmen Besuch, aber wen, das wollte der Regenwurm nicht sagen, oder er wusste es vielleicht selbst nicht. Alle Irrlichter sind zu einem Fackelzug, wie man es nennt, befohlen, und das Silber und Gold, wovon es genug im Hügel gibt, wird poliert und in den Mondschein hinausgestellt!“
„Wer mögen nur die Fremden sein?“ sagten alle Eidechsen. „Was mag nur los sein? Hört, wie es summt! Hört, wie es brummt!“
Da öffnete sich der Elfenhügel und ein altes Elfenmädchen kam trippelnd heraus. Ihr Rücken war bloß, aber sonst war sie sehr anständig angezogen. Es war des alten Elfenkönigs Haushälterin, eine entfernte Verwandte, die ein Bernsteinherz auf der Stirn trug. Sie setzte die Beinchen so flink, tripp, tripp! Potztausend, wie sie trippeln konnte und zwar ging es hinunter ins Moor zum Nachtraben.
„Sie werden zum Elfenhügel eingeladen für diese Nacht!“ sagte sie, „aber wollen Sie uns nicht zuvor einen großen Dienst erweisen und die Einladungen übernehmen? Sie müssen auch etwas tun, da sie selbst kein Haus machen! Es kommen einige hochvornehme Fremde aus dem Trollgeschlecht, die viel zu sagen haben, und deshalb will der alte Elfenkönig sich zeigen.“
„Wer soll eingeladen werden?“ fragte der Nachtrabe.
„Ja, zum großen Ball kann jedermann kommen, selbst Menschen, wenn sie im Schlafe sprechen oder irgend etwas an sich haben, was in unsere Art schlägt. Aber bei dem vorhergehenden Fest muss strenge Auswahl herrschen, wir wollen nur die Allervornehmsten dabei haben. Ich habe mich schon mit dem Elfenkönig gezankt, denn ich meinte, wir könnten nicht einmal die Gespenster zulassen. Der Wassernix und seine Töchter müssen zuerst eingeladen werden, sie finden zwar nicht viel Spaß daran, auf das Trockene zu kommen, aber sie sollen mindestens jeder einen nassen Stein zum sitzen bereitgestellt finden, wenn nicht sogar etwas Besseres, da hoffe ich denn, dass sie dieses Mal nicht absagen werden. Alle alten Trolle erster Klasse mit Schwanz, alle Nixen und Wichtelmännchen müssen wir haben, und dann denke ich, können wir den Werwolf, das Höllenpferd und die Kirchenwichtel nicht gut übergehen; eigentlich gehören sie ja zur Geistlichkeit, die nicht mit zu unseren Leuten zählt, aber das ist nun einmal ihr Amt; sie gehören immerhin zur näheren Familie und machen uns ständig Besuche.“
„Bra!“ sagte der Nachtrabe und flog von dannen, um einzuladen.
Die Elfenmädchen tanzten schon auf dem Elfenhügel, sie schwebten auf und nieder mit ihren langen Schals, die aus Nebel und Mondschein gewoben waren, und sahen gar lieblich aus für jemand, der an dergleichen Gefallen findet. Mitten im Elfenhügel war der große Saal prächtig geschmückt. Der Boden war mit Mondschein gewaschen und die Wände mit Hexenfett abgerieben, so dass sie wie Tulpenblätter im Lichte schimmerten. In der Küche waren reichlich Vorräte aufgestapelt: Frösche am Spieß, Kinderfinger in Schneckenhaut mit Salat aus Pilzsamen, feuchte Mäuseschnauzen und Schierling, Bier von dem Gebräu der Sumpffrau und funkelnder Salpeterwein aus Grabgewölben. Alles war höchst solide und anständig; rostige Nägel und Kirchenfensterglas gehörten zum Naschwerk.
Der alte Elfenkönig ließ seine Goldkrone mit gestoßenem Griffel polieren; es war Tuffsteingriffel, und es ist mit großen Schwierigkeiten für einen Elfenkönig verknüpft, Tuffsteingriffel aufzutreiben! In den Schlafzimmern wurden Gardinen aufgehängt und mit Schneckenhörnern aufgeheftet. Ja, überall hörte man das geschäftige Summen und Brummen.
„Nun muss hier noch mit Rosshaar und Schweinsborsten geräuchert werden, dann bin ich für meinen Teil fertig!“ sagte das alte Elfenmädchen.
„Süßes Väterchen“ schmeichelte die jüngste der Töchter, „bekomme ich nun endlich zu wissen, wer die vornehmen Fremden sind?“
„Nun ja,“ sagte er, „da muss ich es wohl sagen. Zwei meiner Töchter müssen sich zur Hochzeit bereit halten. Zwei von Euch werden sicher fortheiraten. Der alte Troll oben aus Norwegen, der, der im alten Dovrefelsen wohnt, und die vielen Klippenschlösser aus Felsblöcken und ein Goldbergwerk hat, das ertragreicher ist, als man glaubt, kommt mit seinen zwei Söhnen herunter; die sollen sich eine Frau aussuchen. Der alte Troll ist so ein richtiger alter, ehrlicher, moralischer Greis, lustig und geradezu, ich kenne ihn aus alten Tagen, als wir Duzbrüderschaft tranken und er hier unten war, um sich seine Frau zu holen. Nun ist sie tot. Sie war eine Tochter des Felsenkönigs von Möen, und er saß tüchtig bei ihr in der Kreide, wie man zu sagen pflegt. O, wie ich mich nach dem alten nordischen Troll sehne. Die Söhne sollen ein paar unerzogene, hochnäsige Schlingel sein, aber man kann ihnen ja auch damit unrecht tun, und mit den Jahren werden sie schon Vernunft annehmen. Seht nun zu, dass Ihr ihnen Lebensart beibringt!“
„Und wann kommen sie?“ fragte die eine Tochter.
„Das kommt auf Wind und Wetter an.“ sagte der Elfenkönig. „Sie reisen sparsam. Sie wollten eine Schiffsgelegenheit benutzen. Ich wollte, sie sollten über Schweden gehen, aber der Alte findet noch immer keinen Geschmack daran. Er hält nicht mit seiner Zeit Schritt, und das kann ich nicht leiden!“
In diesem Augenblicke kamen zwei Irrlichter hereingehüpft, das eine schneller als das andere, und daher kam das eine zuerst.
Sie kommen. Sie kommen!“ riefen sie.
„Gebt mir meine Krone und lasst mich im Mondschein stehen!“ sagte der Elfenkönig.
Die Töchter hoben die Schals und verneigten sich bis zur Erde.
Da stand nun der alte Troll von Dovre mit seiner Krone von gehärteten Eiszapfen und polierten Tannenzapfen; sonst hatte er noch einen Bärenpelz und Wasserstiefel an; die Söhne dagegen gingen mit bloßem Halse und ohne Hosenträger; denn sie waren Kraftmänner.
„Ist das ein Hügel?“ fragte der Jüngste der Söhne und zeigte auf den Elfenhügel. „Das nennen wir oben bei uns in Norwegen ein Loch.“
„Jungens!“ sagte der Alte, „ein Loch geht nach innen, ein Hügel nach außen. Habt Ihr keine Augen im Kopfe?“
Das einzige, worüber sie sich hier unten wundern müssten, sagten sie, sei, dass sie die Sprache so ohne weiteres verstehen könnten.
„Spielt Euch nun nicht auf“ sagte der Alte, „man könnte sonst glauben, dass Ihr nicht richtig ausgebacken seid.“
Und dann gingen sie in den Elfenhügel hinein, wo eine wirklich feine Gesellschaft sich zusammengefunden hatte, und das in solcher Geschwindigkeit, als ob sie zusammengeweht wären. Für jeden war es nett und behaglich eingerichtet worden. Das Meervolk saß in großen Wasserkufen bei Tisch, und sie sagten, dass sie sich wie zuhause fühlten. Alle befleißigten sich guter Tischsitten, außer den beiden kleinen nordischen Trollen, die die Beine auf den Tisch legten. Sie waren der Ansicht, dass ihnen alles zu Gesichte stehe.
„Die Füße von der Schüssel“ sagte der alte Troll. Da gehorchten sie, aber auch noch nicht gleich. Ihre Tischdamen kitzelten sie mit Tannenzapfen, die sie in der Tasche mit sich führten, und dann zogen sie ihre Stiefel aus, um behaglicher zu sitzen und gaben ihnen die Stiefel zu halten. Der Vater, der alte Dovre-Troll war freilich ganz anders. Er erzählte so herrlich von den stolzen nordischen Felsen und von den Wasserfällen, die schaumweiß mit einem Getöse wie Donnerschlag und Orgelklang herabstürzen. Er erzählte von dem Lachse, der stromaufwärts gegen das stürzende Wasser empor springt, wenn der Wasserneck auf der Goldharfe spielt. Er erzählte von den schimmernden Winternächten, wenn die Schlittenschellen klingeln und die Burschen mit brennenden Fackeln über das blanke Eis laufen, das so durchsichtig ist, dass sie die Fische unter ihren Füßen aufschrecken sehen. Ja, er konnte erzählen, dass man sehen und hören konnte, was er sagte; es war, als höre man die Sägemühlen klappern, als sängen die Knechte und Mägde ihre Lieder und tanzten dazu ihre Tänze. Heißa. – Mit einem mal gab der alte Troll dem alten Elfenmädchen einen Gevatterschmatz. Das war ein ordentlicher Kuss, und dabei waren sie doch gar nicht miteinander verwandt.
Nun mussten die Elfenmädchen tanzen, sowohl die einfachen Tänze, als auch die, bei denen gestampft werden musste; das ließ alle ihre Vorzüge zur Geltung kommen. Dann kam der Kunsttanz. Ei der Tausend, wie konnten sie die Beine werfen. Man wusste nicht mehr, wo Anfang und Ende, und nicht mehr, ob es Arm oder Bein war. Es ging alles durcheinander wie Sägespäne, und dann schnurrten sie herum, dass dem Höllenpferd übel wurde und es vom Tische gehen musste.
„Prrrrr“ sagte der alte Troll,“ ist das eine Wirbelei mit dem Beinwerk. Aber was können sie mehr als tanzen, Beinewerfen und Wirbelwind machen?“
„Das sollst Du nun auch zu wissen bekommen.“ sagte der Elfenkönig, und dann rief er seine älteste Tochter heran. Sie war so zierlich und klar wie Mondschein, sie war die feinste von allen Schwestern. Sie nahm einen weißen Span in den Mund, und dann war sie verschwunden; das war ihre Kunst.
Aber der alte Troll sagte, dass er solche Kunst bei seiner Frau nicht leiden könne, und er glaube auch nicht, dass seine Söhne davon begeistert seien.
Die zweite konnte sich selbst zur Seite gehen, als ob sie einen Schatten würfe, den besitzen die Elfen nämlich nicht.
Die dritte war von ganz anderem Schlag. Sie hatte im Bräuhaus der Sumpffrau gelernt, und sie war diejenige, die Elfenknorren mit Johanneswürmchen zu spicken verstand.
„Sie wird eine gute Hausfrau abgeben!“ sagte der alte Troll und dankte mit den Augen beim Zutrinken, denn er wollte nicht so viel trinken.
Nun kam das vierte Elfenmädchen. Sie hatte eine große Goldharfe zum Spielen, und als sie die erste Saite anschlug, hoben alle das linke Bein, denn die Unterirdischen sind linksbeinig, und als sie die andere Saite anschlug, mussten alle tun, was sie wollte.
„Das ist ein gefährliches Frauenzimmer!“ sagte der alte Troll; die beiden Söhne aber gingen zum Hügel hinaus, denn nun fanden sie es langweilig.
„Und was kann die nächste Tochter?“ fragte der alte Troll.
„Ich habe gelernt, die Norweger zu lieben“ sagte sie, „und niemals werde ich mich vermählen, wenn ich nicht nach Norwegen komme.“
Aber die jüngste der Schwestern flüsterte dem alten Troll ins Ohr: „Das sagt sie nur, weil sie in einem nordischen Lied gehört hat, dass, wenn die Welt untergeht, doch die nordischen Felsen als Wahrzeichen stehen bleiben, und deshalb will sie dort hinauf, denn sie hat solche Angst vor dem Untergehen.“
„Ho, ho“ sagte der alte Troll, „geht es darauf hinaus, aber was kann die siebente und letzte?“
„Die sechste kommt vor der siebenten“ sagte der Elfenkönig, denn er konnte rechnen; aber die sechste wollte nicht recht hervorkommen.
„Ich kann nur den Leuten die Wahrheit sagen.“ sagte sie, „mich mag keiner leiden und ich habe genug damit zu tun, mein Totenhemde zu nähen.“
Nun kam die siebente und letzte, und was konnte sie? Ja, sie konnte Märchen erzählen, und zwar so viele, wie sie nur wollte.
„Hier sind alle meine fünf Finger“ sagte der alte Troll, „erzähle mir von jedem eins.“
Und das Elfenmädchen fasste ihn ums Handgelenk und er lachte, dass es in ihm kluckerte, und als sie zum Goldfinger kam, der einen Goldreif um den Leib hatte, gerade als ob er gewusst hätte, dass Verlobung sein sollte, sagte der alte Troll: „Halt fest was Du hast, die Hand ist Dein. Dich will ich selbst zur Frau haben.“
Und das Elfenmädchen sagte, dass der Goldfinger und der kleine Peter Spielmann noch übrig seien!
„Die wollen wir im Winter hören“ sagte der alte Troll, „und von der Tanne wollen wir hören und von der Birke und den Gaben der Unterirdischen und dem klingenden Frost. Du sollst schon zum Erzählen kommen, denn das macht bis jetzt keiner da oben richtig! – Und dann wollen wir in der steinernen Halle sitzen, wo der Kienspan brennt, und Met trinken aus den Goldhörnern der alten nordischen Könige; der Neck hat mir ein paar davon geschenkt! Und wenn wir dann sitzen, kommt der Hofwichtel und macht Besuch, und dann singt er Dir alle Weisen der Hütermädchen vor. Das wird lustig werden. Der Lachs wird den Wasserfall hinausspringen und gegen die Steinwände schlagen, aber er kommt doch nicht herein. – Ja, Du kannst mir glauben, es ist gut sein in dem lieben alten Norwegen Aber wo sind die Jungen?“
Ja, wo waren die Jungen. Die liefen auf den Feldern umher und bliesen die Irrlichter aus, die so nett und gesittet daherkamen, um einen Fackelzug zu machen.
„Treibt man sich so herum“ sagte der alte Troll, „nun habe ich mir eine Mutter für Euch genommen, und Ihr könnt Euch jetzt eine Tante nehmen!“
Aber die Jungen sagten, dass sie lieber eine Rede halten und Brüderschaft trinken wollten. Zum Heiraten hätten sie keine Lust. – Und dann hielten sie Reden, tranken Brüderschaft und machten die Nagelprobe, um zu zeigen, dass sie ausgetrunken hätten. Dann zogen sie die Kleider aus und legten sich ohne viel Federlesens auf den Tisch, um zu schlafen, denn sie genierten sich nicht. Aber der alte Troll tanzte in der Stube herum mit seiner jungen Braut und wechselte Stiefel mit ihr, denn das ist feiner als Ringe wechseln.
„Nun kräht der Hahn“ sagte das alte Elfenmädchen, die das Haus zu besorgen hatte. „Jetzt müssen wir die Fensterläden schließen, damit uns die Sonne nicht verbrennt!“
Und dann schloss sich der Hügel.
Aber draußen liefen die Eidechsen in dem gespaltenen Baume auf und nieder, und die eine sagte zu der anderen: „Ach, wie gut hat mir der alte nordische Troll gefallen!“
„Ich mochte die Jungen lieber!“ sagte der Regenwurm, aber der konnte ja nichts sehen, das elende Tier.
Über diese Märchen
Dieses Märchen wurde 1845 zum ersten mal in dem Buch namens ”Nye Eventyr. Første Bind. Tredie Samling. 1845” veröffentlicht.
Original-Übersetzung
Da schlüpften so flink einige Eidechsen in den Spalten eines alten Baumes umher; sie konnten einander gut verstehen, denn sie sprachen die Eidechsensprache.
„Nein, wie es poltert und brummt in dem alten Elfenhügel“ sagte die eine Eidechse, „ich habe von dem Spektakel nun schon zwei Nächte lang kein Auge zugetan, ebenso gut könnte ich liegen und Zahnschmerzen haben, denn dann schlafe ich auch nicht.“
„Da muss irgendetwas los sein drinnen!“ sagte die andere Eidechse, „den Hügel lassen sie auf vier roten Pfählen bis zum ersten Hahnenschrei stehen, es wird gründlich ausgelüftet, und die Elfenmädchen haben neue Tänze eingeübt. Da muss irgend etwas los sein.“
„Ja, ich habe mit einem Regenwurm aus meinem Bekanntenkreise gesprochen,“ sagte die dritte Eidechse, „der Regenwurm kam gerade aus dem Hügel heraus, wo er Tag und Nacht in der Erde gewühlt hatte. Der hatte allerlei gehört, sehen kann es ja nicht, das arme Tier, aber vorfühlen und nachhören, das versteht er. „Sie erwarten Besuch im Elfenhügel, vornehmen Besuch, aber wen, das wollte der Regenwurm nicht sagen, oder er wusste es vielleicht selbst nicht. Alle Irrlichter sind zu einem Fackelzug, wie man es nennt, befohlen, und das Silber und Gold, wovon es genug im Hügel gibt, wird poliert und in den Mondschein hinausgestellt!“
„Wer mögen nur die Fremden sein?“ sagten alle Eidechsen. „Was mag nur los sein? Hört, wie es summt! Hört, wie es brummt!“
Da öffnete sich der Elfenhügel und ein altes Elfenmädchen kam trippelnd heraus. Ihr Rücken war bloß, aber sonst war sie sehr anständig angezogen. Es war des alten Elfenkönigs Haushälterin, eine entfernte Verwandte, die ein Bernsteinherz auf der Stirn trug. Sie setzte die Beinchen so flink, tripp, tripp! Potztausend, wie sie trippeln konnte und zwar ging es hinunter ins Moor zum Nachtraben.
„Sie werden zum Elfenhügel eingeladen für diese Nacht!“ sagte sie, „aber wollen Sie uns nicht zuvor einen großen Dienst erweisen und die Einladungen übernehmen? Sie müssen auch etwas tun, da sie selbst kein Haus machen! Es kommen einige hochvornehme Fremde aus dem Trollgeschlecht, die viel zu sagen haben, und deshalb will der alte Elfenkönig sich zeigen.“
„Wer soll eingeladen werden?“ fragte der Nachtrabe.
„Ja, zum großen Ball kann jedermann kommen, selbst Menschen, wenn sie im Schlafe sprechen oder irgend etwas an sich haben, was in unsere Art schlägt. Aber bei dem vorhergehenden Fest muss strenge Auswahl herrschen, wir wollen nur die Allervornehmsten dabei haben. Ich habe mich schon mit dem Elfenkönig gezankt, denn ich meinte, wir könnten nicht einmal die Gespenster zulassen. Der Wassernix und seine Töchter müssen zuerst eingeladen werden, sie finden zwar nicht viel Spaß daran, auf das Trockene zu kommen, aber sie sollen mindestens jeder einen nassen Stein zum sitzen bereitgestellt finden, wenn nicht sogar etwas Besseres, da hoffe ich denn, dass sie dieses Mal nicht absagen werden. Alle alten Trolle erster Klasse mit Schwanz, alle Nixen und Wichtelmännchen müssen wir haben, und dann denke ich, können wir den Werwolf, das Höllenpferd und die Kirchenwichtel nicht gut übergehen; eigentlich gehören sie ja zur Geistlichkeit, die nicht mit zu unseren Leuten zählt, aber das ist nun einmal ihr Amt; sie gehören immerhin zur näheren Familie und machen uns ständig Besuche.“
„Bra!“ sagte der Nachtrabe und flog von dannen, um einzuladen.
Die Elfenmädchen tanzten schon auf dem Elfenhügel, sie schwebten auf und nieder mit ihren langen Schals, die aus Nebel und Mondschein gewoben waren, und sahen gar lieblich aus für jemand, der an dergleichen Gefallen findet. Mitten im Elfenhügel war der große Saal prächtig geschmückt. Der Boden war mit Mondschein gewaschen und die Wände mit Hexenfett abgerieben, so dass sie wie Tulpenblätter im Lichte schimmerten. In der Küche waren reichlich Vorräte aufgestapelt: Frösche am Spieß, Kinderfinger in Schneckenhaut mit Salat aus Pilzsamen, feuchte Mäuseschnauzen und Schierling, Bier von dem Gebräu der Sumpffrau und funkelnder Salpeterwein aus Grabgewölben. Alles war höchst solide und anständig; rostige Nägel und Kirchenfensterglas gehörten zum Naschwerk.
Der alte Elfenkönig ließ seine Goldkrone mit gestoßenem Griffel polieren; es war Tuffsteingriffel, und es ist mit großen Schwierigkeiten für einen Elfenkönig verknüpft, Tuffsteingriffel aufzutreiben! In den Schlafzimmern wurden Gardinen aufgehängt und mit Schneckenhörnern aufgeheftet. Ja, überall hörte man das geschäftige Summen und Brummen.
„Nun muss hier noch mit Rosshaar und Schweinsborsten geräuchert werden, dann bin ich für meinen Teil fertig!“ sagte das alte Elfenmädchen.
„Süßes Väterchen“ schmeichelte die jüngste der Töchter, „bekomme ich nun endlich zu wissen, wer die vornehmen Fremden sind?“
„Nun ja,“ sagte er, „da muss ich es wohl sagen. Zwei meiner Töchter müssen sich zur Hochzeit bereit halten. Zwei von Euch werden sicher fortheiraten. Der alte Troll oben aus Norwegen, der, der im alten Dovrefelsen wohnt, und die vielen Klippenschlösser aus Felsblöcken und ein Goldbergwerk hat, das ertragreicher ist, als man glaubt, kommt mit seinen zwei Söhnen herunter; die sollen sich eine Frau aussuchen. Der alte Troll ist so ein richtiger alter, ehrlicher, moralischer Greis, lustig und geradezu, ich kenne ihn aus alten Tagen, als wir Duzbrüderschaft tranken und er hier unten war, um sich seine Frau zu holen. Nun ist sie tot. Sie war eine Tochter des Felsenkönigs von Möen, und er saß tüchtig bei ihr in der Kreide, wie man zu sagen pflegt. O, wie ich mich nach dem alten nordischen Troll sehne. Die Söhne sollen ein paar unerzogene, hochnäsige Schlingel sein, aber man kann ihnen ja auch damit unrecht tun, und mit den Jahren werden sie schon Vernunft annehmen. Seht nun zu, dass Ihr ihnen Lebensart beibringt!“
„Und wann kommen sie?“ fragte die eine Tochter.
„Das kommt auf Wind und Wetter an.“ sagte der Elfenkönig. „Sie reisen sparsam. Sie wollten eine Schiffsgelegenheit benutzen. Ich wollte, sie sollten über Schweden gehen, aber der Alte findet noch immer keinen Geschmack daran. Er hält nicht mit seiner Zeit Schritt, und das kann ich nicht leiden!“
In diesem Augenblicke kamen zwei Irrlichter hereingehüpft, das eine schneller als das andere, und daher kam das eine zuerst.
Sie kommen. Sie kommen!“ riefen sie.
„Gebt mir meine Krone und lasst mich im Mondschein stehen!“ sagte der Elfenkönig.
Die Töchter hoben die Schals und verneigten sich bis zur Erde.
Da stand nun der alte Troll von Dovre mit seiner Krone von gehärteten Eiszapfen und polierten Tannenzapfen; sonst hatte er noch einen Bärenpelz und Wasserstiefel an; die Söhne dagegen gingen mit bloßem Halse und ohne Hosenträger; denn sie waren Kraftmänner.
„Ist das ein Hügel?“ fragte der Jüngste der Söhne und zeigte auf den Elfenhügel. „Das nennen wir oben bei uns in Norwegen ein Loch.“
„Jungens!“ sagte der Alte, „ein Loch geht nach innen, ein Hügel nach außen. Habt Ihr keine Augen im Kopfe?“
Das einzige, worüber sie sich hier unten wundern müssten, sagten sie, sei, dass sie die Sprache so ohne weiteres verstehen könnten.
„Spielt Euch nun nicht auf“ sagte der Alte, „man könnte sonst glauben, dass Ihr nicht richtig ausgebacken seid.“
Und dann gingen sie in den Elfenhügel hinein, wo eine wirklich feine Gesellschaft sich zusammengefunden hatte, und das in solcher Geschwindigkeit, als ob sie zusammengeweht wären. Für jeden war es nett und behaglich eingerichtet worden. Das Meervolk saß in großen Wasserkufen bei Tisch, und sie sagten, dass sie sich wie zuhause fühlten. Alle befleißigten sich guter Tischsitten, außer den beiden kleinen nordischen Trollen, die die Beine auf den Tisch legten. Sie waren der Ansicht, dass ihnen alles zu Gesichte stehe.
„Die Füße von der Schüssel“ sagte der alte Troll. Da gehorchten sie, aber auch noch nicht gleich. Ihre Tischdamen kitzelten sie mit Tannenzapfen, die sie in der Tasche mit sich führten, und dann zogen sie ihre Stiefel aus, um behaglicher zu sitzen und gaben ihnen die Stiefel zu halten. Der Vater, der alte Dovre-Troll war freilich ganz anders. Er erzählte so herrlich von den stolzen nordischen Felsen und von den Wasserfällen, die schaumweiß mit einem Getöse wie Donnerschlag und Orgelklang herabstürzen. Er erzählte von dem Lachse, der stromaufwärts gegen das stürzende Wasser empor springt, wenn der Wasserneck auf der Goldharfe spielt. Er erzählte von den schimmernden Winternächten, wenn die Schlittenschellen klingeln und die Burschen mit brennenden Fackeln über das blanke Eis laufen, das so durchsichtig ist, dass sie die Fische unter ihren Füßen aufschrecken sehen. Ja, er konnte erzählen, dass man sehen und hören konnte, was er sagte; es war, als höre man die Sägemühlen klappern, als sängen die Knechte und Mägde ihre Lieder und tanzten dazu ihre Tänze. Heißa. – Mit einem mal gab der alte Troll dem alten Elfenmädchen einen Gevatterschmatz. Das war ein ordentlicher Kuss, und dabei waren sie doch gar nicht miteinander verwandt.
Nun mussten die Elfenmädchen tanzen, sowohl die einfachen Tänze, als auch die, bei denen gestampft werden musste; das ließ alle ihre Vorzüge zur Geltung kommen. Dann kam der Kunsttanz. Ei der Tausend, wie konnten sie die Beine werfen. Man wusste nicht mehr, wo Anfang und Ende, und nicht mehr, ob es Arm oder Bein war. Es ging alles durcheinander wie Sägespäne, und dann schnurrten sie herum, dass dem Höllenpferd übel wurde und es vom Tische gehen musste.
„Prrrrr“ sagte der alte Troll,“ ist das eine Wirbelei mit dem Beinwerk. Aber was können sie mehr als tanzen, Beinewerfen und Wirbelwind machen?“
„Das sollst Du nun auch zu wissen bekommen.“ sagte der Elfenkönig, und dann rief er seine älteste Tochter heran. Sie war so zierlich und klar wie Mondschein, sie war die feinste von allen Schwestern. Sie nahm einen weißen Span in den Mund, und dann war sie verschwunden; das war ihre Kunst.
Aber der alte Troll sagte, dass er solche Kunst bei seiner Frau nicht leiden könne, und er glaube auch nicht, dass seine Söhne davon begeistert seien.
Die zweite konnte sich selbst zur Seite gehen, als ob sie einen Schatten würfe, den besitzen die Elfen nämlich nicht.
Die dritte war von ganz anderem Schlag. Sie hatte im Bräuhaus der Sumpffrau gelernt, und sie war diejenige, die Elfenknorren mit Johanneswürmchen zu spicken verstand.
„Sie wird eine gute Hausfrau abgeben!“ sagte der alte Troll und dankte mit den Augen beim Zutrinken, denn er wollte nicht so viel trinken.
Nun kam das vierte Elfenmädchen. Sie hatte eine große Goldharfe zum Spielen, und als sie die erste Saite anschlug, hoben alle das linke Bein, denn die Unterirdischen sind linksbeinig, und als sie die andere Saite anschlug, mussten alle tun, was sie wollte.
„Das ist ein gefährliches Frauenzimmer!“ sagte der alte Troll; die beiden Söhne aber gingen zum Hügel hinaus, denn nun fanden sie es langweilig.
„Und was kann die nächste Tochter?“ fragte der alte Troll.
„Ich habe gelernt, die Norweger zu lieben“ sagte sie, „und niemals werde ich mich vermählen, wenn ich nicht nach Norwegen komme.“
Aber die jüngste der Schwestern flüsterte dem alten Troll ins Ohr: „Das sagt sie nur, weil sie in einem nordischen Lied gehört hat, dass, wenn die Welt untergeht, doch die nordischen Felsen als Wahrzeichen stehen bleiben, und deshalb will sie dort hinauf, denn sie hat solche Angst vor dem Untergehen.“
„Ho, ho“ sagte der alte Troll, „geht es darauf hinaus, aber was kann die siebente und letzte?“
„Die sechste kommt vor der siebenten“ sagte der Elfenkönig, denn er konnte rechnen; aber die sechste wollte nicht recht hervorkommen.
„Ich kann nur den Leuten die Wahrheit sagen.“ sagte sie, „mich mag keiner leiden und ich habe genug damit zu tun, mein Totenhemde zu nähen.“
Nun kam die siebente und letzte, und was konnte sie? Ja, sie konnte Märchen erzählen, und zwar so viele, wie sie nur wollte.
„Hier sind alle meine fünf Finger“ sagte der alte Troll, „erzähle mir von jedem eins.“
Und das Elfenmädchen fasste ihn ums Handgelenk und er lachte, dass es in ihm kluckerte, und als sie zum Goldfinger kam, der einen Goldreif um den Leib hatte, gerade als ob er gewusst hätte, dass Verlobung sein sollte, sagte der alte Troll: „Halt fest was Du hast, die Hand ist Dein. Dich will ich selbst zur Frau haben.“
Und das Elfenmädchen sagte, dass der Goldfinger und der kleine Peter Spielmann noch übrig seien!
„Die wollen wir im Winter hören“ sagte der alte Troll, „und von der Tanne wollen wir hören und von der Birke und den Gaben der Unterirdischen und dem klingenden Frost. Du sollst schon zum Erzählen kommen, denn das macht bis jetzt keiner da oben richtig! – Und dann wollen wir in der steinernen Halle sitzen, wo der Kienspan brennt, und Met trinken aus den Goldhörnern der alten nordischen Könige; der Neck hat mir ein paar davon geschenkt! Und wenn wir dann sitzen, kommt der Hofwichtel und macht Besuch, und dann singt er Dir alle Weisen der Hütermädchen vor. Das wird lustig werden. Der Lachs wird den Wasserfall hinausspringen und gegen die Steinwände schlagen, aber er kommt doch nicht herein. – Ja, Du kannst mir glauben, es ist gut sein in dem lieben alten Norwegen Aber wo sind die Jungen?“
Ja, wo waren die Jungen. Die liefen auf den Feldern umher und bliesen die Irrlichter aus, die so nett und gesittet daherkamen, um einen Fackelzug zu machen.
„Treibt man sich so herum“ sagte der alte Troll, „nun habe ich mir eine Mutter für Euch genommen, und Ihr könnt Euch jetzt eine Tante nehmen!“
Aber die Jungen sagten, dass sie lieber eine Rede halten und Brüderschaft trinken wollten. Zum Heiraten hätten sie keine Lust. – Und dann hielten sie Reden, tranken Brüderschaft und machten die Nagelprobe, um zu zeigen, dass sie ausgetrunken hätten. Dann zogen sie die Kleider aus und legten sich ohne viel Federlesens auf den Tisch, um zu schlafen, denn sie genierten sich nicht. Aber der alte Troll tanzte in der Stube herum mit seiner jungen Braut und wechselte Stiefel mit ihr, denn das ist feiner als Ringe wechseln.
„Nun kräht der Hahn“ sagte das alte Elfenmädchen, die das Haus zu besorgen hatte. „Jetzt müssen wir die Fensterläden schließen, damit uns die Sonne nicht verbrennt!“
Und dann schloss sich der Hügel.
Aber draußen liefen die Eidechsen in dem gespaltenen Baume auf und nieder, und die eine sagte zu der anderen: „Ach, wie gut hat mir der alte nordische Troll gefallen!“
„Ich mochte die Jungen lieber!“ sagte der Regenwurm, aber der konnte ja nichts sehen, das elende Tier.
Über diese Märchen
Dieses Märchen wurde 1845 zum ersten mal in dem Buch namens ”Nye Eventyr. Første Bind. Tredie Samling. 1845” veröffentlicht.